5. Die bisherigen Systeme und ihre gegensätzlichen Probleme

In jedem Staat sind die wirtschaftlichen Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten anders festgelegt. Es gibt deshalb anscheinend einen Wettbewerb um die besten Bedingungen für wirtschaftlichen Wohlstand. Das geht sogar soweit, dass viele liberal gesinnte von einem Wettbewerb der Steuersysteme in den einzelnen Staaten überzeugt sind. Dieser Standpunkt ist jedoch ebenfalls anfechtbar.
Wäre es wirklich so, dann hätten in den entwickelten kapitalistischen Staaten, die Fürstentümer, die zumeist so klein sind, dass sie sich keine eigene Währung leisten können, die besten Steuersysteme. Die großen Flächenstaaten wären in dem Wettbewerb um das beste Steuersystem ohne Chancen. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle die Ursachen zu analysieren, weshalb bei kapitalistischen Staaten, diese Ungleichheiten bestehen.
Im allgemeinen kann man jedoch sagen, dass die kapitalistische Wirtschaftsweise von dem schottischen Nationalökonomen Adam Smith, der von 1723-1790 lebte, seine theoretischen Grundlagen erhalten hatte. Nach seiner Lehre entsteht der wirtschaftliche Wohlstand durch drei Produktionsfaktoren: 1. Arbeit, 2. Boden und 3. Kapital.
Die Produktionsfaktoren sind Quellen wirtschaftlicher Einkünfte. Durch Arbeit kann man Lohn oder Gehalt erwirtschaften und durch den Boden,wenn man ihn anderen zur Verfügung stellt, Pacht oder Miete. Durch den Produktionsfaktor Kapital lässt sich sogenannter Unternehmerlohn erzielen, oder wenn man ihn anderen überlässt, können Zins oder Dividendeneinkünfte erwirtschaftet werden.
Wer Lohn oder Gehalt bezieht, erwirbt Leistungseinkünfte im Gegensatz zu den Verpächtern und Vermietern, die Ansprüche aus Besitz geltend machen. Die Kapitalbesitzer jedoch, beziehen Besitz- und Leistungseinkünfte. Sie stellen Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung. Das können Produktionsmittel oder Kredite sein. Den Gewinn in Form von Unternehmerlohn oder die Dividende bei Aktionären, ist in seiner Höhe von den Personen abhängig, die die Produktionsmittel als Mittel zur Produktion benützen.
Das gilt auch bei den Gläubigern. Da bei kapitalistischer Wirtschaftsweise die Kredite gekündigt werden können, besteht die Möglichkeit die Geldschuld durch die Zinskonditionen der Leistungsfähigkeit des Schuldners während der Vertragslaufzeit anzupassen. Steigen die Einkünfte des Schuldners, kann der Gläubiger die Zinsen verringern, damit der Geldstrom durch das Vertragsverhältnis nicht versiegt. Aber wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners sich verschlechtert wird der Gläubiger die Geldschuld erhöhen, in dem er die Zinsen erhöht.
Das ist der wesentliche Unterschied zum Beispiel zu einem Hypothekenkredit, bei dem der Gläubiger kein Anteilsrecht am Lohn oder Gehalt des Schuldners hat, sondern lediglich ein Anteilsrecht an einem Grundstück oder einem Gebäude oder an einer anderen Sache des Schuldners. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Rechte an Sachen nicht völlig gleichwertig austauschbar sind, weil jeder Gegenstand nicht nur einzigartige Eigenschaften hat, sondern dadurch auch einen einzigartigen Marktwert. Gibt es mehrere Anteilsrechte an einer Sache, dann unterscheiden sie sich in der Reihenfolge, in der die Gläubiger im Insolvenzfalle abgegolten werden. Die Anteilsrechte an Personen beziehungsweise an deren Einkünften sind jedoch wie Aktien austauschbar. Sie unterscheiden sich nur im verbrieften Wert. Solche Ansprüche haben keinen Preis sondern einen Kurs, wenn sie an der Börse gehandelt werden. Sie werden Teil der Geldmenge, wenn auch nicht der Zentralbankgeldmenge. Aus der Sicht traditioneller Wirtschaftspolitiker mag dieser Effekt erwünscht sein. Steigen die Ansprüche beziehungsweise die Schulden in einer Volkswirtschaft, dann steigt auch die Liquidität der Wirtschaftssubjekte. Dieser Effekt schlägt sich direkt auf den Arbeitsmarkt nieder. Da in diesem Fall mehr investiert werden kann, und die Preise marktnäher kalkuliert werden können, steigt die Nachfrage nach Arbeitskräften. Gleichzeitig wird die Macht der Aktionäre gestärkt durch die Solidarität der Banken als Fremdkapitalgeber. Die Interessen der Arbeiter sollen im Falle geringerer Dividenden durch steigende Zinszahlungen gezügelt werden. Damit die Eigner von Eigen- und Fremdkapital in ihrem Abwehrkampf um das Arbeitsergebnis nicht alleine stehen, bekommen die Vorstände und leitenden Angestellten nicht nur generöse Bezüge, sondern man bietet ihnen oft Verträge, bei denen die Einkünfte durch Optionen oder Provisionen direkt an die Aktienkurse oder den Gewinn des Unternehmens gekoppelt werden.
Die Frage, ob durch diese Theorie und die anderer Volkswirtschaftler eine gerechte Einkommensverteilung erzielen ließe, war jedoch sehr umstritten. Vor allem Karl Marx 1818-1883 und Friedrich Engels 1820-1895 waren davon überzeugt, dass die Geldverteilung auf dieser Rechtsgrundlage zu dramatisch anwachsenden Spannungen in einer Volkswirtschaft führen würde. Sie konnten darauf verweisen, wie die Verteilung von Grundbesitz unter dem politischen und religiösen Adel ein wachsendes Eigentumsproblem darstellte, das beispielsweise die französische Revolution im Jahre 1789 sehr stark begünstigte. Natürlich sahen das die Adeligen nicht so. Weil die privilegierten in ihren Privilegien kein Unrecht erkennen, solidarisieren sie sich solange es geht. Sie bremsen die Reformen, bis die Hoffnungen auf friedliche Veränderungen geschwunden sind. Dann würden die Proletarier in einem revolutionären Prozess die Herrschaft übernehmen und eine gleichberechtigte, klassenlose Gesellschaftsordnung errichten.
In dieser Gesellschaftsordnung gibt es kein Privateigentum mehr an Produktionsmitteln. Das heißt es hat keiner mehr durch Besitz Ansprüche an Besitzeinkünften. Gewinnausschüttungen würden dem neuen Eigentümer, dem ganzen Volk zu kommen. Auch die Mieten könnten nur noch an das Volk oder den Staat bezahlt werden. Unter dem Sozialismus wie ihn Lenin in der späteren Sowjetunion realisiert hat, gab es sogar Zinsen, die aber ebenfalls nur von Staatsbanken bezahlt wurden. Von der Idee her sollten, die Privateinkünfte jedoch nur durch Leistung oder durch Bedürftigkeit entstehen. Der Produktionsfaktor Boden und vor allem der Produktionsfaktor Kapital sollten keine Rechtsgrundlage mehr haben.
Die nach wie vor aktuelle Frage wann Sozialisierung und wann Privatisierung sinnvoll ist, fand im Kommunismus eine einfache Antwort mit weitreichenden Konsequenzen.
Der organisierte Streit um das Arbeitsergebnis war überwunden. Die Nachfrage nach Arbeitskräften konnte nie gedeckt werden. Durch die amtlichen Preisfestsetzungen war das Phänomen der Inflation offiziell ebenfalls erledigt. Es taten sich jedoch neue Probleme auf. Wie kann der Verbraucher, den Produzenten über seine Bedürfnisse informieren, wenn das Preisgefüge nicht mehr auf ständig wechselndes Angebot und Nachfrage reagiert? Die Lösung war, dass durch die Pläne der Zentralverwaltung dieses Defizit ausgeglichen werden sollte. Wie weit diese Vormundschaft ging, verinnerlichte sich die Bevölkerung vor allem beim Einkaufen. Lange Schlangen vor leeren oder wenig ausgestatteten Geschäften erinnerte den Verbraucher an die allgegenwärtige Macht staatlicher Lenkung. Freie Auswahl gab es nur bei wenigen Ladenhütern. Ansonsten hieß es sich rechtzeitig bei einer Neulieferung anzustellen, oder Großgeräte wie zum Beispiel Autos zu bestellen. Das Geld zum Einkaufen war mehr als ausreichend vorhanden. Niedrige Preise sollten gewährleisten, dass die Waren den Konsumenten erreichen, wenn auch nicht den meistbietenden.

Glowbar

Während im Kapitalismus der Geldumlauf immer zu schnell sich vollzieht, weil die Firmen immer zuwenig Geld für die Schaffung neuer Arbeitsplätze haben, ist es im Kommunismus genau umgekehrt, das Geld läuft immer zu langsam um, so dass die Verbraucher auf Gelegenheiten warten müssen um ihr Geld auszugeben. Hat man im Sozialismus die ausländischen Grenzgänger gescholten, weil sie den Einheimischen die Waren weg kaufen, werden die Ausländer im Kapitalismus gebrandmarkt, weil sie den Einheimischen angeblich die Arbeitsplätze wegnehmen. Die Ausreiseprobleme im Sozialismus kann wohl nur derjenige richtig verstehen, der die Einreiseprobleme im Kapitalismus verstanden hat. Während im Kapitalismus die Arbeiter vor der verhängnisvollen Lohn-Preis-Spirale gewarnt werden, die durch ihre Ansprüche sich beschleunigt und die Arbeitslosigkeit erhöht, werden im Sozialismus die Arbeiter vor dem Schlendrian, durch mangelnde Motivation gewarnt, der die Auswahl in den Läden noch mehr verringern müsste. Schuldig sind immer die Leistungsträger, weil sie zuwenig motiviert sind. Die Besitzenden und Herrschenden trifft natürlich keine Schuld, weil wer nichts macht auch keine Fehler machen kann.
Es mag sein, dass nach dem Niedergang des Sozialismus in Europa solche Vergleiche nicht mehr als zeitgemäß erscheinen. Da es zum Kapitalismus nun offenbar keine Alternative mehr gibt, wurde diese Ideologie zur Heilslehre hoch stilisiert. Statt gezügeltem und maßvollem Kapitalismus erwarten die Theoretiker von einer New Economy durch immer mehr und grenzenlosen Share Holder Value die Lösung der Wirtschaftsprobleme. Da diese Hoffnungen jedoch sehr wenig mit der beobachtbaren Realität übereinstimmen, bleibt diesen Wirtschaftsexperten nichts anderes übrig, als die steigende Arbeitslosigkeit und die wachsende Scherenöffnung zwischen Leistungsgefälle und Einkommensgefälle nach amerikanischem Vorbild als Kinderkrankheiten zu bagatellisieren, die erst überwunden werden, wenn die totale sogenannte Liberalisierung auf globalisierten Märkten realisiert worden ist.
Nach dieser Ideologie sind die Probleme auf dem Bildungssektor, im Gesundheitssektor, beim Bankwesen oder Versicherungssektor im Rechtswesen und natürlich auf dem Arbeitsmarkt sowieso auf die mehr oder weniger noch rudimentär vorhandene staatliche Regulierung zurückzuführen. Selbst wenn man die Ideologie der Ultraliberalen nicht berücksichtigt, die den Zwang zur Steuererhebung mit Diebstahl gleichsetzen, gibt es eine schwindende Anzahl von Steuerrechtlern, die die gegenwärtige Unternehmensbesteuerung rechtfertigen. Stattdessen steigt die Zahl derer, die ein rein konsumorientiertes Steuersystem als Zukunftsperspektive aufzeigen wollen. Natürlich hält sich die Begeisterung für diese Theorie auch in Grenzen. Wenn nur noch der außerbetriebliche Konsum besteuert wird, würde die Kapitalakkumulation dadurch noch mehr erleichtert und beschleunigt werden. Der derzeitige Effekt, dass mit steigenden Einkommen der reale Steuersatz sinkt, würde dadurch noch mehr verstärkt werden. Denn nach der Logik dieser Theorie investieren die Menschen, die bei der Kapitalakkumulation am meisten Fortune haben, auch am meisten in die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Arbeitslosigkeit ist angeblich immer auf die zu hohe finanzielle also steuerliche Belastung der Kapitaleigner zurückzuführen.
Ob nun die Kapitalakkumulation völlig steuerbefreit wird, oder ob die Kapitalakkumulation neben Kursgewinnen und Dividendengewinnen noch zusätzlich durch niedrigere Zinsen der Notenbanken beschleunigt wird, ist nach dieser Theorie nur eine Frage der Methode; beim wirtschaftspolitischen Ziel der Kapitalakkumulation, würde jedoch für die Schaffung neuer Arbeitsplätze am meisten übrig bleiben. Es ist schwer zu widerlegen, dass wenn regelmäßig zu viel Fleisch auf den Tisch kommt, für den Katzentisch jedes mal was übrig bleibt.

Finanzindikatoren in der DDR

Die obere Grafik zeigt im positiven Bereich die Bestandteile des Nationaleinkommens der DDR als Flächen. Im negativen Bereich sind die wichtigsten Staatsausgaben und die Staatseinnahmen in der DDR in Relation zum Nationaleinkommen dargestellt.
Interessant sind vor allem die beiden Linien in der oberen Hälfte. Sie stellen den relativ konstanten Bargeldumlauf in den 38 Jahren und den ziemlich konstanten Anstieg der Sparguthaben dar. Es war eine Art Zwangssparen, weil die Waren nur sehr selten oder in einer schlechten Qualität käuflich waren. Für Autos gab es Wartelisten von zum Teil über 10 Jahren. Da es in jener Wirtschaftsform offiziell keine Inflation gab und die festgesetzten Preise für ein paar Grundbedürfnisse konstant blieben, wurde das chronische Problem des Nachfrageüberhangs im Laufe der Zeit größer.
Kreditausreichungen gab es nahezu nur für junge Eheleute. Sie überschritten in der Summe jedoch nie mehr als 0,4% vom Nationaleinkommen. Da die Staatseinnahmen nahezu identisch mit den Staatsausgaben waren, wurden die Aufwendungen für die Zinsen für die Sparguthaben anscheinend nicht den Staatsausgaben zugerechnet. Durch den gehemmten Geldumlauf wurde garantiert, dass die Vorräte in den Staatsläden ohne Preissenkungen ihre Abnehmer fanden. Da viele Waren nur schubweise verfügbar waren, bildeten sich regelmäßig Schlangen vor den Geschäften. Der Sozialismus hat gezeigt, dass die Gesetzmäßigkeiten unter denen wir leben sich an keine Ideologie und an keine Wirtschaftsform anpassen lassen. Es ist statt dessen erforderlich, dass wir diese erkennen und die Rechtsordnung danach ausrichten.

Es geht weiter mit 6. Fazit