In jedem Staat sind die wirtschaftlichen Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten
anders festgelegt. Es gibt deshalb anscheinend einen Wettbewerb um die
besten Bedingungen für wirtschaftlichen Wohlstand. Das geht sogar
soweit, dass viele liberal gesinnte von einem Wettbewerb der Steuersysteme
in den einzelnen Staaten überzeugt sind. Dieser Standpunkt ist jedoch
ebenfalls anfechtbar.
Wäre es wirklich so, dann hätten in den entwickelten kapitalistischen
Staaten, die Fürstentümer, die zumeist so klein sind, dass sie
sich keine eigene Währung leisten können, die besten Steuersysteme.
Die großen Flächenstaaten wären in dem Wettbewerb um das
beste Steuersystem ohne Chancen. Es würde zu weit führen, an
dieser Stelle die Ursachen zu analysieren, weshalb bei kapitalistischen
Staaten, diese Ungleichheiten bestehen.
Im allgemeinen kann man jedoch sagen, dass die kapitalistische Wirtschaftsweise
von dem schottischen Nationalökonomen Adam Smith, der von 1723-1790
lebte, seine theoretischen Grundlagen erhalten hatte. Nach seiner Lehre
entsteht der wirtschaftliche Wohlstand durch drei Produktionsfaktoren:
1. Arbeit, 2. Boden und 3. Kapital.
Die Produktionsfaktoren sind Quellen wirtschaftlicher Einkünfte.
Durch Arbeit kann man Lohn oder Gehalt erwirtschaften und durch den Boden,wenn
man ihn anderen zur Verfügung stellt, Pacht oder Miete. Durch den
Produktionsfaktor Kapital lässt sich sogenannter Unternehmerlohn erzielen,
oder wenn man ihn anderen überlässt, können Zins oder Dividendeneinkünfte
erwirtschaftet werden.
Wer Lohn oder Gehalt bezieht, erwirbt Leistungseinkünfte im Gegensatz
zu den Verpächtern und Vermietern, die Ansprüche aus Besitz geltend
machen. Die Kapitalbesitzer jedoch, beziehen Besitz- und Leistungseinkünfte.
Sie stellen Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung. Das können
Produktionsmittel oder Kredite sein. Den Gewinn in Form von Unternehmerlohn
oder die Dividende bei Aktionären, ist in seiner Höhe von den
Personen abhängig, die die Produktionsmittel als Mittel zur Produktion
benützen.
Das gilt auch bei den Gläubigern. Da bei kapitalistischer Wirtschaftsweise
die Kredite gekündigt werden können, besteht die Möglichkeit
die Geldschuld durch die Zinskonditionen der Leistungsfähigkeit des
Schuldners während der Vertragslaufzeit anzupassen. Steigen die Einkünfte
des Schuldners, kann der Gläubiger die Zinsen verringern, damit der
Geldstrom durch das Vertragsverhältnis nicht versiegt. Aber wenn die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners sich verschlechtert
wird der Gläubiger die Geldschuld erhöhen, in dem er die Zinsen
erhöht.
Das ist der wesentliche Unterschied zum Beispiel zu einem Hypothekenkredit,
bei dem der Gläubiger kein Anteilsrecht am Lohn oder Gehalt des Schuldners
hat, sondern lediglich ein Anteilsrecht an einem Grundstück oder einem
Gebäude oder an einer anderen Sache des Schuldners. Ein weiterer Unterschied
ist, dass die Rechte an Sachen nicht völlig gleichwertig austauschbar
sind, weil jeder Gegenstand nicht nur einzigartige Eigenschaften hat, sondern
dadurch auch einen einzigartigen Marktwert. Gibt es mehrere Anteilsrechte
an einer Sache, dann unterscheiden sie sich in der Reihenfolge, in der
die Gläubiger im Insolvenzfalle abgegolten werden. Die Anteilsrechte
an Personen beziehungsweise an deren Einkünften sind jedoch wie Aktien
austauschbar. Sie unterscheiden sich nur im verbrieften Wert. Solche Ansprüche
haben keinen Preis sondern einen Kurs, wenn sie an der Börse gehandelt
werden. Sie werden Teil der Geldmenge, wenn auch nicht der Zentralbankgeldmenge.
Aus der Sicht traditioneller Wirtschaftspolitiker mag dieser Effekt erwünscht
sein. Steigen die Ansprüche beziehungsweise die Schulden in einer
Volkswirtschaft, dann steigt auch die Liquidität der Wirtschaftssubjekte.
Dieser Effekt schlägt sich direkt auf den Arbeitsmarkt nieder. Da
in diesem Fall mehr investiert werden kann, und die Preise marktnäher
kalkuliert werden können, steigt die Nachfrage nach Arbeitskräften.
Gleichzeitig wird die Macht der Aktionäre gestärkt durch die
Solidarität der Banken als Fremdkapitalgeber. Die Interessen der Arbeiter
sollen im Falle geringerer Dividenden durch steigende Zinszahlungen gezügelt
werden. Damit die Eigner von Eigen- und Fremdkapital in ihrem Abwehrkampf
um das Arbeitsergebnis nicht alleine stehen, bekommen die Vorstände
und leitenden Angestellten nicht nur generöse Bezüge, sondern
man bietet ihnen oft Verträge, bei denen die Einkünfte durch
Optionen oder Provisionen direkt an die Aktienkurse oder den Gewinn des
Unternehmens gekoppelt werden.
Die Frage, ob durch diese Theorie und die anderer Volkswirtschaftler
eine gerechte Einkommensverteilung erzielen ließe, war jedoch sehr
umstritten. Vor allem Karl Marx 1818-1883 und Friedrich Engels 1820-1895
waren davon überzeugt, dass die Geldverteilung auf dieser Rechtsgrundlage
zu dramatisch anwachsenden Spannungen in einer Volkswirtschaft führen
würde. Sie konnten darauf verweisen, wie die Verteilung von Grundbesitz
unter dem politischen und religiösen Adel ein wachsendes Eigentumsproblem
darstellte, das beispielsweise die französische Revolution im Jahre
1789 sehr stark begünstigte. Natürlich sahen das die Adeligen
nicht so. Weil die privilegierten in ihren Privilegien kein Unrecht erkennen,
solidarisieren sie sich solange es geht. Sie bremsen die Reformen, bis
die Hoffnungen auf friedliche Veränderungen geschwunden sind. Dann
würden die Proletarier in einem revolutionären Prozess die Herrschaft
übernehmen und eine gleichberechtigte, klassenlose Gesellschaftsordnung
errichten.
In dieser Gesellschaftsordnung gibt es kein Privateigentum mehr an
Produktionsmitteln. Das heißt es hat keiner mehr durch Besitz Ansprüche
an Besitzeinkünften. Gewinnausschüttungen würden dem neuen
Eigentümer, dem ganzen Volk zu kommen. Auch die Mieten könnten
nur noch an das Volk oder den Staat bezahlt werden. Unter dem Sozialismus
wie ihn Lenin in der späteren Sowjetunion realisiert hat, gab es sogar
Zinsen, die aber ebenfalls nur von Staatsbanken bezahlt wurden. Von der
Idee her sollten, die Privateinkünfte jedoch nur durch Leistung oder
durch Bedürftigkeit entstehen. Der Produktionsfaktor Boden und vor
allem der Produktionsfaktor Kapital sollten keine Rechtsgrundlage mehr
haben.
Die nach wie vor aktuelle Frage wann Sozialisierung und wann Privatisierung
sinnvoll ist, fand im Kommunismus eine einfache Antwort mit weitreichenden
Konsequenzen.
Der organisierte Streit um das Arbeitsergebnis war überwunden.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften konnte nie gedeckt werden. Durch
die amtlichen Preisfestsetzungen war das Phänomen der Inflation offiziell
ebenfalls erledigt. Es taten sich jedoch neue Probleme auf. Wie kann der
Verbraucher, den Produzenten über seine Bedürfnisse informieren,
wenn das Preisgefüge nicht mehr auf ständig wechselndes Angebot
und Nachfrage reagiert? Die Lösung war, dass durch die Pläne
der Zentralverwaltung dieses Defizit ausgeglichen werden sollte. Wie weit
diese Vormundschaft ging, verinnerlichte sich die Bevölkerung vor
allem beim Einkaufen. Lange Schlangen vor leeren oder wenig ausgestatteten
Geschäften erinnerte den Verbraucher an die allgegenwärtige Macht
staatlicher Lenkung. Freie Auswahl gab es nur bei wenigen Ladenhütern.
Ansonsten hieß es sich rechtzeitig bei einer Neulieferung anzustellen,
oder Großgeräte wie zum Beispiel Autos zu bestellen. Das Geld
zum Einkaufen war mehr als ausreichend vorhanden. Niedrige Preise sollten
gewährleisten, dass die Waren den Konsumenten erreichen, wenn auch
nicht den meistbietenden.
Während im Kapitalismus der Geldumlauf immer zu schnell sich vollzieht,
weil die Firmen immer zuwenig Geld für die Schaffung neuer Arbeitsplätze
haben, ist es im Kommunismus genau umgekehrt, das Geld läuft immer
zu langsam um, so dass die Verbraucher auf Gelegenheiten warten müssen
um ihr Geld auszugeben. Hat man im Sozialismus die ausländischen Grenzgänger
gescholten, weil sie den Einheimischen die Waren weg kaufen, werden die
Ausländer im Kapitalismus gebrandmarkt, weil sie den Einheimischen
angeblich die Arbeitsplätze wegnehmen. Die Ausreiseprobleme im Sozialismus
kann wohl nur derjenige richtig verstehen, der die Einreiseprobleme im
Kapitalismus verstanden hat. Während im Kapitalismus die Arbeiter
vor der verhängnisvollen Lohn-Preis-Spirale gewarnt werden, die durch
ihre Ansprüche sich beschleunigt und die Arbeitslosigkeit erhöht,
werden im Sozialismus die Arbeiter vor dem Schlendrian, durch mangelnde
Motivation gewarnt, der die Auswahl in den Läden noch mehr verringern
müsste. Schuldig sind immer die Leistungsträger, weil sie zuwenig
motiviert sind. Die Besitzenden und Herrschenden trifft natürlich
keine Schuld, weil wer nichts macht auch keine Fehler machen kann.
Es mag sein, dass nach dem Niedergang des Sozialismus in Europa solche
Vergleiche nicht mehr als zeitgemäß erscheinen. Da es zum Kapitalismus
nun offenbar keine Alternative mehr gibt, wurde diese Ideologie zur Heilslehre
hoch stilisiert. Statt gezügeltem und maßvollem Kapitalismus
erwarten die Theoretiker von einer New Economy durch immer mehr und grenzenlosen
Share Holder Value die Lösung der Wirtschaftsprobleme. Da diese Hoffnungen
jedoch sehr wenig mit der beobachtbaren Realität übereinstimmen,
bleibt diesen Wirtschaftsexperten nichts anderes übrig, als die steigende
Arbeitslosigkeit und die wachsende Scherenöffnung zwischen Leistungsgefälle
und Einkommensgefälle nach amerikanischem Vorbild als Kinderkrankheiten
zu bagatellisieren, die erst überwunden werden, wenn die totale sogenannte
Liberalisierung auf globalisierten Märkten realisiert worden ist.
Nach dieser Ideologie sind die Probleme auf dem Bildungssektor, im
Gesundheitssektor, beim Bankwesen oder Versicherungssektor im Rechtswesen
und natürlich auf dem Arbeitsmarkt sowieso auf die mehr oder weniger
noch rudimentär vorhandene staatliche Regulierung zurückzuführen.
Selbst wenn man die Ideologie der Ultraliberalen nicht berücksichtigt,
die den Zwang zur Steuererhebung mit Diebstahl gleichsetzen, gibt es eine
schwindende Anzahl von Steuerrechtlern, die die gegenwärtige Unternehmensbesteuerung
rechtfertigen. Stattdessen steigt die Zahl derer, die ein rein konsumorientiertes
Steuersystem als Zukunftsperspektive aufzeigen wollen. Natürlich hält
sich die Begeisterung für diese Theorie auch in Grenzen. Wenn nur
noch der außerbetriebliche Konsum besteuert wird, würde die
Kapitalakkumulation dadurch noch mehr erleichtert und beschleunigt werden.
Der derzeitige Effekt, dass mit steigenden Einkommen der reale Steuersatz
sinkt, würde dadurch noch mehr verstärkt werden. Denn nach der
Logik dieser Theorie investieren die Menschen, die bei der Kapitalakkumulation
am meisten Fortune haben, auch am meisten in die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Arbeitslosigkeit ist angeblich immer auf die zu hohe finanzielle also steuerliche
Belastung der Kapitaleigner zurückzuführen.
Ob nun die Kapitalakkumulation völlig steuerbefreit wird, oder
ob die Kapitalakkumulation neben Kursgewinnen und Dividendengewinnen noch
zusätzlich durch niedrigere Zinsen der Notenbanken beschleunigt wird,
ist nach dieser Theorie nur eine Frage der Methode; beim wirtschaftspolitischen
Ziel der Kapitalakkumulation, würde jedoch für die Schaffung
neuer Arbeitsplätze am meisten übrig bleiben. Es ist schwer zu
widerlegen, dass wenn regelmäßig zu viel Fleisch auf den Tisch
kommt, für den Katzentisch jedes mal was übrig bleibt.
Die obere Grafik zeigt im positiven Bereich die Bestandteile des Nationaleinkommens
der DDR als Flächen. Im negativen Bereich sind die wichtigsten Staatsausgaben
und die Staatseinnahmen in der DDR in Relation zum Nationaleinkommen dargestellt.
Interessant sind vor allem die beiden Linien in der oberen Hälfte.
Sie stellen den relativ konstanten Bargeldumlauf in den 38 Jahren und den
ziemlich konstanten Anstieg der Sparguthaben dar. Es war eine Art Zwangssparen,
weil die Waren nur sehr selten oder in einer schlechten Qualität käuflich
waren. Für Autos gab es Wartelisten von zum Teil über 10 Jahren.
Da es in jener Wirtschaftsform offiziell keine Inflation gab und die festgesetzten
Preise für ein paar Grundbedürfnisse konstant blieben, wurde
das chronische Problem des Nachfrageüberhangs im Laufe der Zeit größer.
Kreditausreichungen gab es nahezu nur für junge Eheleute. Sie
überschritten in der Summe jedoch nie mehr als 0,4% vom Nationaleinkommen.
Da die Staatseinnahmen nahezu identisch mit den Staatsausgaben waren, wurden
die Aufwendungen für die Zinsen für die Sparguthaben anscheinend
nicht den Staatsausgaben zugerechnet. Durch den gehemmten Geldumlauf wurde
garantiert, dass die Vorräte in den Staatsläden ohne Preissenkungen
ihre Abnehmer fanden. Da viele Waren nur schubweise verfügbar waren,
bildeten sich regelmäßig Schlangen vor den Geschäften.
Der Sozialismus hat gezeigt, dass die Gesetzmäßigkeiten unter
denen wir leben sich an keine Ideologie und an keine Wirtschaftsform anpassen
lassen. Es ist statt dessen erforderlich, dass wir diese erkennen und die
Rechtsordnung danach ausrichten.
Es geht weiter mit 6. Fazit